Islam

 

 

Halbmond (mit Stern)

Der Halbmond mit Stern gilt weithin - auch unter Moslems- als Symbol des Islam. Er ist vorislamischen Ursprungs und stammt wahrscheinlich aus der Altai-Region in Zentralasien.

Von dort hatte ihn die türkische Dynastie der Osmanen als ihr Wappenzeichen übernommen.

1460 erklärte sich der osmanische Sultan zum Kalifen. Der Kalif, Mohammeds Nachfolger, war religiöses und weltliches Oberhaupt der weltweiten Gemeinschaft aller Moslems, der Umma. Da das Symbol von Halbmond mit Stern nunmehr für das Kalifat stand, fand es in der ganzen islamischen Welt Verbreitung. Neben dem Halbmond sind die Kalligraphien des arabischen Originaltextes des islamischen Glaubensbekenntnisses sowie die 112. Sure (Kapitel) des Koran die eigentlichen religiösen Symbole des Islam.

 

 

Der Islam - Eine Einführung von Bernhard Priesmeier

Notwendige Begriffsklärungen

Der Islam ist neben dem Juden- und Christentum die dritte große Weltreligion in der Tradition der Bibel, die im "Haus der Weltreligionen" präsent ist. Im Koran, dem geoffenbarten Wort Gottes, heißt es: "Wir glauben an GOTT und an das, was herabgesandt wurde zu Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen, und an das, was Mose und Jesus zuteil wurde, und an das, was den Propheten zuteil wurde von ihrem Herrn. Wir machen bei keinem von ihnen einen Unterschied. Und wir sind IHM ergeben" (2:136).

Die Bedeutung des arabischen Wortes Islam ist völlige Hingabe an Gott und seinen Willen. Im übertragenen Sinne deutet es auf das innere und äußere Heil und den Frieden, den man/frau durch diese Hingabe an den Schöpfer und Gesetzgeber des Universums erlangt. Der Begriff Islam hat den selben Wortstamm wie Salam (hebräisch: Shalom), S L M, was direkt Frieden im Sinne eines allumfassenden Heilseins (heile Seins) bedeutet. Ursprünglich definierte der Begriff Islam nicht eine bestimmte Gemeinschaft und deren Glaubensüberzeugungen in Abgrenzung zu anderen, sondern bezeichnete den Kern wahrer Religiösität schlechthin.

Wer durch Hingabe an Gott Frieden und Heil anstrebt, ist ein M u s l i m. Dieses arabische Wort wurde im Persischen zu Moslem (ähnlich wie Hussein zu Hossein) und in dieser Form Teil des deutschen Wortschatzes.

Im Zentrum der Religion des Islam steht das durch den Propheten Muhammad an die Menschen geoffenbarte Wort Gottes. Diese Offenbarung ist in einem Koran (arabisch: qur-an) genannten Buch bewahrt. Koran bedeutet Rezitation; der Koran ist das, was rezitiert wird und wegen seines göttlichen Ursprungs in der Originalsprache unmittelbar auf tiefere Schichten der menschlichen Psyche wirkt.

Der Islam als Lebensordnung

Vor allem aber enthält der Koran eine Botschaft, eine Anleitung für die Menschen, wie man gemäß dem göttlichen Willen und Gesetz "richtig" lebt. Seine grundlegenden Markierungen für den rechten Lebensweg bilden die Scharia (wörtlich: den Weg zur Quelle/Tränke <des Heils>). Innerhalb der Scharia ist zu differenzieren zwischen den dort festgelegten Verpflichtungen des Menschen gegenüber Gott ('Ibadat) und den Grundnormen und Grundprinzipien des menschlichen Verhaltens gegenüber seiner natürlichen und sozialen Umwelt (Mu'amalat). Wichtigste Quelle der Interpretation der Scharia ist die Sunna des Propheten, die Überlieferung dessen, was er sagte, tat oder unterließ. Die einzelnen Überlieferungsberichte werden Hadithe genannt.

Da der Islam nicht nur spirituelle Werte vertritt sondern auch Regeln für das Leben umfasst, kann er nie Glaube allein sein sondern ist immer Glaube und praktische Lebenshaltung in Einem. Fünf Merkmale gelten als die verbindlichen Grundlagen ("Pfeiler") einer islamischen Glaubens- und Lebenseinstellung:
? das Bekenntnis, es gebe nur einen GOTT und Muhammad sei SEIN Gesandter;
? das täglich fünfmalige Gebet,
? die Enthaltsamkeit von Essen, Trinken und sexuellen Handlungen zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang im Fastenmonat Ramadan, der sich nach dem Mondkalender richtet und deshalb durch das Sonnenjahr wandert; er wird mit dem "Fest des Fastenbrechens" (türkisch: "Zuckerfest") beendet;
? die Sozialsteuer als "Reinigung" von jenen materiellen Gütern, die nicht unbedingt für das eigene Leben benötigt werden; es handelt sich dabei nicht um "Almosen", sondern um eine genau berechnete Steuer zum Zwecke der Umverteilung, auf die die Bedürftigen ein Recht haben;
? die Pilgerfahrt zum geographisch-spirituellen Mittelpunkt des Islam, der Kaaba in Mekka.

Was Islam als Lebensregel und -ordnung darüber hinaus konkret bedeutet, ist unter den Moslems nicht unumstritten.

Islamismus (Fundamentalismus)
Das Islambild wird in der Öffentlichkeit gegenwärtig vor allem durch die politische Bewegung der Islamisten geprägt, die als Antwort auf das Versagen der kapitalistischen wie auch der realsozialistischen "Moderne" entstand, die elementarsten materiellen und Lebensbedürfnisse der überwiegenden Mehrheit der Menschen in den mehrheitlich muslimischen Länder zu befriedigen. Der Islamismus, der sich als Alternative zu Kapitalismus und Kommunismus versteht, findet in der Zeit des frühen Islam ein Modell, ein so genanntes "islamisches System" verwirklicht, dass es in Verbindung mit der modernen Technologie wiederherzustellen gelte. Dadurch sei es möglich, alle Ungerechtigkeiten abzuschaffen und alle Probleme der heutigen Menschheit zu lösen. Kennzeichnend für die Islamistenbewegung ist, dass ihr Führungspersonal sich überwiegend nicht aus den Kreisen traditioneller religiöser Gelehrter sondern aus Natur- und Ingenieurwissenschaftlern rekrutiert, die ihre Ideologie u. a. als eine neue Philosophie der Technik ansehen, die die Integration von Hightech-Systemen in die gottgewollte Lebensordnung anstrebt.

Traditionalismus
Tatsächlich dürften traditionelle Auffassungen des Islam verbreiteter sein als der Islamismus: Die Menschen orientieren sich an Werten, Normen und Praktiken, die über Generationen hinweg von Rechtsschulen, Gesellschaft und Familie tradiert wurden, gleich, ob sie auf den Lehren des Koran basieren oder soziokulturell begründet sind. Da es sich bei letzteren um die Überzeugungen und den Lebensstil von Moslems handelt, werden sie mit "dem Islam" gleichgesetzt. Charakeristisch ist ein weit gefasster Begriff der Scharia, der nicht nur die im Koran enthaltenen Verhaltensregeln sondern auch die der Sunna und der Rechtsschulen einschließt.

Der "Modernismus" der "Liberalreligiösen"
Als "liberal" oder "modernistisch" gilt jenes Verständnis, das den Islam nicht als fest umrissenes Gesellschaftsmodell ansieht, sondern als einen Glauben, dessen Werte und Normen unter verschiedenen sozialen, historischen und geographischen Bedingungen auf spezifische Weise auf die jeweilige Wirklichkeit zu beziehen und in die Lebenspraxis umzusetzen sind.

Jesus Christus im Islam
Der Islam erkennt die Propheten der Bibel an, die am häufigsten im Koran erwähnte Person ist der Prophet Mose, am zweithäufigsten ist von Abraham die Rede, welcher als Urbild eines Gottergebenen (Moslems) gilt. Seiner Bereitschaft zur Opferung seines Sohnes wird bis heute am höchsten Fest des islamischen Jahres, dem Opferfest gedacht. Abraham und sein Sohn Ismael werden als die Erbauer der Kaaba zu Mekka verkehrt, des geographisch-spirituellen Mittelpunkts der Welt des Islam.

Bedeutsam für den christlich-islamischen Dialog dürfte die herausgehobene Position Jesu als Prophet und Messias der Juden sein. Der Islam ist die einzige Weltreligion, die eine auf Jesus, den Sohn der Maria bezogene Christologie beinhaltet. Neben dem Koran ist mit einem Brief Muhammads an den christlich-koptischen Kaiser von Äthiopien eine wichtige christlogische Grundaussage bis heute erhalten geblieben: "Ich bezeuge, dass Jesus, der Sohn der Maria, der Geist Gottes ist und sein Wort, dass er in Maria eingab, die Jungfrau, die Gute, die Reine. So empfing sie Jesus, den Gott mit seinem Geist schuf und ihm das Leben einhauchte, wie er Adam mit seinen Händen schuf und ihm das Leben einhauchte. Ich rufe dich zu Gott allein, der keinen Gefährten hat."

Jesus unterscheidet sich von allen anderen Menschen dadurch, dass er nicht ein gewöhnliches Kind einer Familie ist, sondern wie Adam durch Gottes Schöpfungswort zur Existenz gebracht wurde. Jesus verkörperte den Geist und die Absichten Gottes in besonderer Weise, doch er war nicht Gott sondern Mensch und damit Geschöpf. Er war als Messias zu den Juden gesandt. Er kam zu ihnen als ein Gesandter Gottes, um die Thora zu bestätigen, zugleich jedoch den strengen Formalismus ihrer praktischen Umsetzung unter Hinweis auf die Intentionen zu überwinden: "(Ich komme), um euch einiges von dem zu erlauben, was euch verboten wurde. So komme ich zu euch mit einem Zeichen von eurem Herrn. Daher fürchtet Gott und gehorchet mir (3:50). Mit Jesus Christus erfährt das Handeln Gottes mit den Menschen einen neuen Ausgangspunkt, der das Erscheinen und Wirken des letzten Gesandten, Muhammad, vorbereitet. Muhammad sagte einmal: "In meinem Auftreten hat Gott die Bitte meines Vaters Abraham erhört und die Gute Botschaft meines Bruders Jesus erfüllt."

Muhammad, der Gesandte Gottes, das Siegel der Propheten
Muhammad wurde um das Jahr 570 u. Z. in Mekka auf der arabischen Halbinsel geboren. Als Araber war er ein Nachkomme Abrahams und seines Sohnes Ismaels. Er bekannte sich wie Abraham zu dem Glauben an den EINEN GOTT, ohne dabei Jude oder Christ zu sein. Ab seinem vierzigsten Lebensjahr empfängt er durch den Erzengel Gabriel göttliche Botschaften, die im Koran gesammelt sind. Muhammad wird nicht nur der spirituelle sondern auch der politische Führer seiner Gemeinschaft. Mit dem Koran empfängt die Menschheit eine abschließende Botschaft Gottes, die die vorherigen Verkündigungen in ihrem wesentlichen Kern bestätigt und - im Unterschied zu Thora und Evangelium - zeitlose und damit für immer gültige Regeln hinterlässt. Deshalb gilt Muhammad als das "Siegel der Propheten".

Sir Muhammad Iqbal drückte dies mit folgenden Worten aus:
"Im Islam erreicht die Prophetie ihre Vollkommenheit, indem sie die Notwendigkeit ihrer Vernichtung erkennt. Das schließt die kühne Erkenntnis ein, das Leben nicht immer am Gängelband geführt werde, dass der Mensch, um volles Selbstbewusstsein zu erreichen, am Ende auf seine eigenen Bestände zurückgeworfen werden muss... Der dauernde Appell an Vernunft und Erfahrung im Koran und der Nachdruck, den er auf Natur und Geschichte als Quellen menschlicher Erkenntnis legt, sind alle verschiedene Aspekte der selben Idee der Finalität."

Die Aleviten
In Deutschland leben heute mehr als 3 Millionen Menschen, die sich zum Islam bekennen. Mehr als 10 Prozent gehören zur Glaubensrichtung der Aleviten-Bektaschiten. Diese besondere Ausprägung des schiitischen Islam vertritt esoterische Lehren, die weitgehende Übereinstimmungen mit der islamischen Mystik (Sufismus) aufweisen. Die materielle Welt ist nach alevitischer Auffassung eine Entäußerung und Vergegenständlichung der Kraft Gottes. Durch höchstmögliche Selbstvollendung vermag das bewussteste aller Geschöpfe, der Mensch, zum "vollkommenen Menschen" zu werden, dessen Erkenntnis die gesamte Schöpfung und ihren Schöpfer umgreift. Im Bewusstsein des "vollkommenen Menschen" vermag Gott sich selbst wie in einem Spiegel zu sehen und sich dadurch seines unendlichen Potentials bewusster zu werden.
Da der "vollkommene Mensch" der letztendliche Zweck der Schöpfung ist, stellt die menschliche Selbstentfaltung die höchste und wichtigste Form des Gottesdienstes dar. Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen sowie starre Regeln oder Systeme, wie sie der Traditionalismus und der Islamismus verfechten, widersprechen alevitischer Glaubens- und Lebenshaltung und machen die Aleviten der sunnitischen Mehrheit "verdächtig". Dabei geht es ihnen nur darum, den spirituellen Wesenskern der Religion über alles andere zu stellen.

Islam und Krieg
Der Koran erlaubt den Gläubigen, sich gegen Angriffe zu verteidigen; dies ist eine Form des Einsatzes auf dem Wege Gottes (djihad). Djihad bedeutet Einsatz, Engagement. Für Krieg kennt der Koran zwei andere Begriffe, Harb und Kital. Während der Begriff "Harb" als Synonym für Unfriede und Unsicherheit den Gegensatz zu "Islam" verkörpert, ist mit "Kital" der Krieg im Sinne von bewaffneter Auseinandersetzung gemeint. Der Begriff "Heiliger Krieg" stammt nicht aus dem Islam, sondern wurde von Papst Gregor I. (590 - 604) geprägt. Er macht im islamischen Denken keinen Sinn, weil die Unterscheidung zwischen "profan" und "heilig" dem islamischen Grundsatz "Tauhid" widerspricht, demzufolge nicht nur Gott Einer ist sondern auch nichts existiert, was nicht Seinem Gesetz unterliegt.
Der Koran legitimiert den Verteidigungskrieg (22:39, 2:190) und gebietet den Friedensschluss, wenn der Angreifer Friedensbereitschaft zeigt (8:61). Seine Aussagen über den Krieg gegen die Ungläubigen (insbesondere in Sure 9) beziehen sich konkret auf den Überlebenskampf gegen die herrschende Klasse der Stadt Mekka.
Krieg wird im Koran als Ausnahmezustand gesehen, der die ursprüngliche gute Ordnung Gottes beschädigt. Diese gute Ordnung wieder herzustellen, ist die Aufgabe jener, die sich gegen Aggression und Unterdrückung verteidigen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Vergeltung einer Untat selbst eine Untat von gleichem Maße ist; deshalb wird sie von Gott zwar nicht bestraft aber auch nicht belohnt (42:40). Belohnt wird nur das Bemühen, zu verzeihen, Besserung zu schaffen (ebenda) und die Überwindung böser durch gute Taten, um sich den Gegner zum Freund zu machen (41:34f.).

Islam im Dialog
Der Koran enthält auf den ersten Blick sehr widersprüchliche Aussagen über das Christentum. Dies ist darin begründet, dass er sich auf unterschiedliche christliche Richtungen seiner Offenbarungszeit bezieht, darunter "Tritheisten", für die Maria und Jesus Götter neben dem Schöpfer waren, als auch das Judenchristentum, das vollständig im Islam aufgegangen ist. Das monotheistische Bekenntnis einschließlich der Absage an das Bild einer mit einer Gefährtin Kinder zeugenden Gottes ist jedoch auch maßgebend für die islamische Auseinandersetzung mit dem Trinitätsdogma der heute vorherrschenden christlichen Bekenntnisse.
Bestimmend für die Stellung zu Judentum und Christentum sind die Aussagen in der 5. Sure des Koran (Vers 48):
"Jedem von euch haben WIR eine Richtung und einen Weg gegeben. Und wenn GOTT gewollt hätte, hätte Er euch zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Doch will ER euch auf die Probe stellen in dem, was ER euch gegeben hat. So eilt zu den guten Werken um die Wette. Zu GOTT werdet ihr allesamt zurückkehren, dann wird ER euch kundtun, worüber ihr uneins wart."

Die Stellung der Frau im Islam
Der Koran geht von der grundsätzlichen Gleichheit von Mann und Frau in spiritueller Hinsicht aus, nimmt jedoch im sozialen Bereich biologisch bedingte Unterschiede wahr. So sind z. B. Männer immer den Frauen gegenüber unterhaltsverpflichtet - unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen beider Partner. Der Mann wird in Ehe und Familie ungleich stärker bezüglich des Unterhalts und der Verteidigung der Gemeinschaft in die Pflicht genommen als die Frau; daraus resultiert auch die Bevorzugung im Erbrecht.
Eine große Rolle in der öffentlichen Diskussion spielt z. Z. der Koranvers 4:34. Hier ist vom Recht des Mannes die Rede, seine Frau bzw. deren Charakter zu "prägen"; das entsprechende Wort wird häufig (analog zum deutschen Wort "züchtigen") mit "schlagen" übersetzt. Zum einen geht es hier um ein Erziehungsrecht, das Gehorsam gegenüber von Gott und nicht vom Mann gesetzten Regeln sanktionieren soll, zum anderen äußert Gott sich in Sure 4 in erster Linie "hinsichtlich verwaister Mädchen" (4:127), die als Minderjährige geheiratet werden, um "den Waisen gerecht zu werden" (4:3). Die Frage nach der Relevanz dieser Textstellen für die heutige Lebenswirklichkeit ist naheliegend. Weiter sollte beachtet werden, dass der Prophet Muhammad das Schlagen im Allgemeinen und von Frauen im Besonderen abgelehnt hat. Zu der Offenbarung des zitierten Koranverses sagte er: "Ich wollte etwas, aber Gott wollte etwas anderes" (Hadith, zitiert bei M. Cook, Der Koran - eine Einführung, Stuttgart 2002, S. 131).